Sahra Wagenknecht: Neue Partei, neues Spiel?
Sahra Wagenknecht: Neue Partei, neues Spiel?
Wird Sahra Wagenknecht die Arithmetik der deutschen Parteienlandschaft fundamental verändern? Viele aktuelle Umfragen deuten genau darauf hin. Nach dem Zerwürfnis mit der LINKEN hat sie mit engen Getreuen das „Bündnis Sahra Wagenknecht - für Vernunft und Gerechtigkeit“ gegründet. Schon bald soll aus dem Verein dann eine Partei werden. Nicht nur das politische Berlin fragt sich, ob hier tatsächlich langfristig mit einem ernstzunehmenden neuen Player zu rechnen ist. Welche Wählerschichten wird sie anziehen, und wie wird sich die Wagenknecht-Partei inhaltlich positionieren? Neue Partei, neues Spiel?
In dieser entscheidenden Phase einer langen politischen Karriere konnte Markus Feldenkirchen Sahra Wagenknecht über mehrere Monate begleiten. Er ist hautnah dabei, wie sie mit den Herausforderungen einer Partei-Neugründung ringt und die Entfremdung von ihren alten Parteifreunden fortschreitet. Er beobachtet sie bei Auftritten zum Krieg in der Ukraine, ist dabei, wenn sie gegen die „woke, grüne Meinungsblase“ mobil macht und schaut ihr bei der Produktion von „Wagenknechts Wochenschau“ auf YouTube über die Schulter. Er spaziert mit Wagenknecht durch den Prenzlauer Berg, wo sie als Kind im Schatten der Berliner Mauer aufwuchs – und radelt mit ihr gemeinsam durchs Saarland, Wagenknechts Wahlheimat. Dort lebt sie mit ihrem Mann Oskar Lafontaine, dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden.
Geboren und aufgewachsen in der DDR, als Kind eines Iraners und einer deutschen Mutter, fremdelte die Individualistin mit dem Kollektivismus des Systems und galt irgendwann als „asozial“. Erst im Frühjahr 1989 trat sie der SED bei – zu einem Zeitpunkt, als die Substanz des Arbeiter- und Bauernstaats bereits heftig bröckelte.Nach dem Mauerfall engagierte sie sich in der PDS. Als Sprecherin der Kommunistischen Plattform eckte sie oft an, wurde früh einer breiteren Öffentlichkeit bekannt - und galt auch innerhalb ihrer Partei von Beginn an als äußerst streitbar.
In den vergangenen Jahren häuften sich die Querelen, Wagenknecht polarisierte zunehmend. Äußerungen zur Flüchtlings- und Corona-Politik oder auch zum Ukrainekrieg entfremdeten sie von ihrer eigenen Partei. Im konservativen und im rechten politischen Spektrum fand sie derweil immer mehr Zustimmung. Wagenknecht wird oft gnadenloser Populismus vorgeworfen, Grenzen von „links“ und „rechts“ scheinen bei ihr zunehmend zu verschwimmen. Jedenfalls hegen auch viele AfD-Wähler Sympathien für die bisherige Linke Wagenknecht. Aus den ehemals eigenen Reihen wird zudem heftig kritisiert, dass sie und weitere Abtrünnige ihre über die LINKE gewonnenen Bundestagsmandate behalten wollen.
In ihrer langen Karriere kamen und gingen immer neue Parteivorsitzende. Mit den meisten überwarf Wagenknecht sich früher oder später. Nun will sie selbst Parteichefin werden – von einer Partei die passenderweise ihren eigenen Namen tragen soll. Für „Konfrontation“ beobachtete Markus Feldenkirchen Wagenknechts fortschreitende Entfremdung von der
LINKEN und ihren wachsenden Willen, tatsächlich eine eigene Partei zu gründen. Und er spricht unter anderem mit Oskar Lafontaine, Gregor Gysi, Bernd Riexinger und der Publizistin Katharina Nocun. Aus all diesen Beobachtungen und Auskünften fertigt der preisgekrönte SPIEGEL-Autor ein sehr subjektives Film-Portrait über Wagenknecht. Bei einem letzten Treffen zeigt Feldenkirchen ihr diesen Film – und konfrontiert sie mit seinen Einschätzungen. Diese Kombination aus Reportage, lebendigen Gesprächen sowie Feldenkirchens präzisen Kommentaren ergibt ein Porträt von großer Tiefe und Schonungslosigkeit, das die Oberfläche durchbricht.
„Konfrontation: Markus Feldenkirchen trifft Sahra Wagenknecht“ ist die vierte Folge des Formats, das 2022 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde. Eine Produktion von beckground tv im Auftrag des WDR.
Sahra Wagenknecht: Neue Partei, neues Spiel? | WDR Doku