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4 Tage her
Trauern wir in Zukunft anders?
Trauern wir in Zukunft anders?
Mit dem Wachstum der Weltbevölkerung steigt auch die Zahl der Todesfälle, rund 160.000 Menschen sterben täglich. Doch für Gräber geht in vielen Megastädten der Platz aus. Selbst für Urnen wird es eng. Braucht es neue Bestattungsformen? Wird es vielleicht keine Friedhöfe mehr geben? Die Dokumentation zeigt eindrücklich und humorvoll neue Formen des Trauerns.
Schon Norbert Elias wusste: Der Tod ist ein Problem der Lebenden. Menschen verlieren nahestehende Menschen und wollen die Verstorbenen nicht gehen lassen. Gleichzeitig lassen die schnell ablaufenden biologischen Prozesse kaum Zeit für ein langes Abschiednehmen. Daher haben Menschen die Erinnerung an Verstorbene auf einzigartige Weise kultiviert: durch Bestattungen – eine der ältesten Kulturleistungen überhaupt.
Seit etwa 240.000 Jahren ist das Erdbegräbnis die bevorzugte Bestattungsart. Doch diese Praxis bereitet heute Probleme: In manchen Großstädten gibt es kaum noch Platz für die klassische Sargbestattung. Und auch die Feuerbestattung führt in eine Sackgasse, wenn es nicht genügend Nischen in Kolumbarien gibt. Soziologe Dr. Thorsten Benkel meint: „Je größer die Stadt und je stärker bebaut, desto weniger Fläche für den Friedhof. Da muss man kreativ werden.“
Zudem kommt es bei den klassischen Bestattungsarten zu Umweltbelastungen: Allein in den USA werden jedes Jahr neun Millionen Meter Holz, 2.700 Tonnen Kupfer und Bronze, über 100.000 Tonnen Stahl und circa 1.600.000 Tonnen Beton für Bestattungen verbraucht. Allein in Deutschland werden durch Feuerbestattungen jährlich mehr als 200.000 Tonnen CO2 freigesetzt.
Die Bestattungsbranche setzt auf radikale Reduktion. Die Liste an Death-Techs, die immer weniger von den Verstorbenen übriglassen, wird länger. Dazu zählen zum Beispiel Kompostieren oder in Säure auflösen. Aber: Wenn es keine herkömmlichen Gräber mehr gibt, wohin geht man, um zu trauern? Wie erinnert man sich an die Toten, wenn nichts mehr an sie erinnert?
Quellen und weiterführende Links:
Wann fingen Menschen mit dem Bestatten eigentlich an?
Bestattungen sind sehr wahrscheinlich ein menschliches Alleinstellungsmerkmal und so alt wie die Menschheitsgeschichte selbst: Das älteste Grab eines Homo Sapiens jedenfalls liegt in Afrika …
https://www.nature.com/articles/s41586-021-03457-8
… mit den Bestattungen angefangen hat aber wahrscheinlich schon der Homo Naledi vor über 240.000 Jahren …
https://www.nytimes.com/2023/06/05/science/ancient-humans-homo-naledi-buried-dead.html
Sind wir wirklich die einzigen Wesen, die ihre Toten bestatten?
Machen das Elefanten nicht auch? Leider nicht wirklich …
https://www.discoverwildlife.com/animal-facts/mammals/elephant-graveyards
…, dass es Orte gibt, an denen sich viele Elefantengebeine finden, hat weniger mit einer Vorahnung älterer Elefanten zu tun, dass sie sterben werden, sondern mit der erschwerten Nahrungsaufnahme im Alter …
https://globalelephants.org/elephant-myths-true-or-false-are-elephant-graveyards-real/
Das Insekt, welches mit seinem Verhalten unseren Beerdigungen noch am nächsten kommt, trägt den Namen Totengräberkäfer. Mit Pietät und letzter Ruhestätte hat das allerdings sehr wenig zu tun …
https://www.deutschlandfunk.de/insekten-wie-totengraeber-kaefer-ihrem-nachwuchs-proviant-100.html
Der Friedhof der Zukunft:
Unsere Städte durch unsere Toten zum Leuchten bringen – wem schwebt sowas genau vor?
https://deathlab.org/
Ein Beispiel dafür, wie sich schon heute unsere Trauerrituale längst ins Digitale verlagert haben – und welche neuen Gefahren ihnen drohen:
https://spir.aoir.org/ojs/index.php/spir/article/view/8845/7050
Musik in dieser Folge
Phoebe Bridgers – Funeral TC 01:22:59:03 + 01:28:33:00
The American Dollar – Anything you synthesize TC 01:02:18:19
Amon Tobin – Journeyman TC 01:07:23:14 + 01:26:10:16
Radiohead – Everything in its right place TC 01:15:03:11
Fuck Buttons – Sweet Love for Planet Earth TC 01:18:32:23
Venetian Snares – Szamár Madár TC 01:06:47:14
Massive Attack – Dissolved Girl TC 01:20:55:23
Trauern wir in Zukunft anders? | 42 – Die Antwort auf fast alles | ARTE
Wissenschafts-Dokureihe, Regie: Thomas Kulik (D 2024, 30 Min)