Neonazi packt aus: So groß ist die Gefahr der rechtsradikalen Szene (Teil 1)
Neonazi packt aus: So groß ist die Gefahr der rechtsradikalen Szene (Teil 1)
Über Jahrzehnte war „Michael“ in der rechten Szene, hat umfassendes Wissen aus dieser Welt. In der Doku-Serie „Geständnisse eines Neonazis“ packt „Michael“ aus. Um seine Anonymität zu wahren, werden „Michael“ und seine Erzählung virtuell animiert.
„Mir wurde schnell beigebracht: Das, was Du daheim sagst und das, was in den Zeltlagern besprochen wird, das sagst Du nicht weiter.“ Folge eins der „Geständnisse eines Neonazis“ folgt „Michael“ durch Kindheit und Jugend – bis zur vollständigen Radikalisierung innerhalb der rechten Szene.
„Michael“ wächst in zwei Welten auf: Er ist ein „normales“ Schulkind, aber auch Enkel eines NS-Wehrmachtssoldaten. Gemeinsam mit seinem Großvater verbringt er die Sommer in völkischen, nationalsozialistisch ausgerichteten Ferienlagern. Dort sei er „quasi groß geworden. Mit fünf, sechs Jahren ging das los.“
Er lernt den Umgang mit Waffen, erfährt „Gesinnungsschulungen“: „Mir wurde schnell beigebracht: Das, was du daheim sagst und das, was in den Zeltlagern besprochen wird, das sagst du nicht weiter.“ Für Journalistin Andrea Röpke klingen seine Schilderungen authentisch: „Wir haben das erlebt. Allen rechten Lagern dieser Art ist es eigentlich gemein, dass Kinder als Allererstes lernen: Wer sind die Feinde? Wer bedroht uns?“
Jahr für Jahr verschmilzt „Michael“ mehr mit der rechtsmilitanten Szene. Als junger Mann ist er bereits strammer Kamerad. Vorangetrieben wird seine Sozialisierung durch Rechtsrock: „Dieses Gefühl, auf einem Konzert zu stehen, wo um dich herum alle das Gleiche brüllen, alle das gleiche Gefühl haben und diese Kraft erzeugen: Das ist mega geil“, schildert „Michael“.
„Die extreme Rechte funktioniert nicht ohne Musik. Die extreme Rechte ist die Rechtsrockszene und umgekehrt“, ordnet Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ein.
Mit Mitgliedern heute teils verbotener rechter Verbindungen fährt „Michael“ später zu geheimen Schießtrainings. Immer präsent: der Gedanke an den „Tag X“, den vermeintlichen Tag des Systemzusammenbruchs in Deutschland …
Alle Aussagen der Quelle wurden von einem Rechercheteam über Monate hinweg akribisch auf Belegbarkeit geprüft. Im Film ordnen darüber hinaus Behördenvertreter und Kenner der Szene die Aussagen der Quelle ein.
„Geständnisse eines Neonazis“ ist dabei ein gestalterisches Leuchtturmprojekt: Mithilfe einer Gaming-Engine, der Unreal Engine 5, die sonst nur aus Hollywoodfilmen und Videospielen bekannt ist, und ihrem MetaHuman Creator wird die Quelle in einen Avatar verwandelt und dank Motion-Tracking-Technik zum Leben erweckt – ein notwendiger Schritt, um die Quelle bestmöglich vor Vergeltung aus der rechtsterroristischen Szene zu schützen, denn Aussteiger landen häufig auf Todeslisten. Ein Schauspieler leiht dem Avatar seine Mimik, ein Synchronsprecher seine Stimme. Das Ergebnis: Der animierte Insider kann in einem nachgestellten Interviewsetting befragt werden und führt virtuell an die nachempfundenen Orte seiner Erlebnisse. Bislang war die „Unreal Engine“ vor allem in der Gaming-Industrie oder aber Hollywoodproduktionen eingesetzt – und nun erstmals umfassend für eine Doku-Serie des ZDF.
Neonazi packt aus: So groß ist die Gefahr der rechtsradikalen Szene (Teil 1)