Lernen wir jetzt unsere Vorfahren kennen?
Lernen wir jetzt unsere Vorfahren kennen?
Eine edle Abstammung – die hätten wir Privatmenschen genauso gern wie die Nationen, in denen wir leben. Positive Erzählungen über unsere Vorfahren können Selbstwert und Identität geben – und der Wahrheitsgehalt war bislang nicht ganz einfach zu prüfen. Die Archäogenetik ermöglicht es jetzt, die Genome von Menschen der Steinzeit bis heute miteinander zu vergleichen...
Sind alle Menschen auf der Welt genetisch gesehen eng verwandt? Oder leben auf unterschiedlichen Kontinenten Menschen, die sich aus verschiedenen Vormenschen-Arten entwickelt haben? Dann wären etwa Europäer und Amerikaner bestenfalls entfernte Cousins. Bevor Pioniere der Archäogenetik in den vergangenen zwei Jahrzehnten das Können entwickelt haben, aus alten Knochen intakte DNA zu extrahieren und unsere genetische Vergangenheit lesbar zu machen, wurde um solche Fragen erbittert gestritten. Inzwischen wissen wir so viel mehr über den Weg von Homo Sapiens durch die Jahrtausende. Unser Erbgut verrät uns etwas über die frühen menschlichen Populationen, ihren Kampf während der letzten Eiszeit, ihre Begegnungen mit dem Neandertaler – von dem wir heute noch kleine Stückchen in uns tragen. Einiges war scheinbar doch anders, als wir bislang annahmen. „Die Geschichte des Menschen ist eine Geschichte des Scheiterns”, sagt der Anthropologe Jean-Jacques Hublin vom Collège de France in Paris.
Die Genome unserer Vorfahren enthüllen Überraschendes – etwa, dass Jäger und Sammler wie der britische „Cheddar Man” wohl dunkle Haut und blaue Augen hatten. „Das hat manche Menschen erzürnt”, erklärt Selina Brace vom National History Museum in London. Die Archäogenetik verschafft uns ein klareres Bild von unseren Vorfahren. Sie zeichnet Wanderungen von Populationen nach, die etwa die Landwirtschaft mit sich gebracht haben. Es sind faszinierende Einblicke in eine Zeit vor der schriftlichen Aufzeichnung – die einiges zurechtrücken.
Quellen und weiterführende Links:
Wie funktioniert die Paläogenetik
… die Pionierarbeit der Paläogenetiker hat im Nobelpreis für Svante Pääbo einen ersten Höhepunkt gefunden. Welche Fallstricke es auf dem Weg gab, wie die Paläogenetik funktioniert, haben die Forschenden in sehr lesenswerten Büchern aufgeschrieben:
- Svante Pääbo – Die Neandertaler und wir
- Johannes Krause – Die Reise unserer Gene
- David Reich – Who were are and how we got here
Das von Svante Pääbo gegründete Max-Planck-Institut für anthropologische Evolution in Leipzig ist für viele aufsehenerregende Studien verantwortlich:
https://www.eva.mpg.de/de/index/
… dort finden sich etwa Studienergebnisse zu Mensch und Neandertaler
https://www.mpg.de/11532666/neandertaler-dna?c=150520
Die Archäogenetik verändert unsere Vorstellung der Vergangenheit
… sie legt etwa nahe, wo Jäger und Sammler den Höhepunkt der letzten Eiszeit überlebten …
https://www.nature.com/articles/s41586-023-05726-0
Wie das Skelett eines Jäger und Sammlers untersucht wurde und die Ergebnisse unser Bild der Vergangenheit verändert haben, erzählt Selina Brace vom National History Museum ausführlich in diesem Talk …
https://www.youtube.com/watch?v=skqvavZQ6o8
… sogar zur Diskussion über den Ursprung unserer Sprachen kann die Auswertung alter DNA Daten beitragen …
https://www.spektrum.de/magazin/indoeuropaeisch-kam-aus-dem-osten/1359258
Was die Ergebnisse der Archäogenetik für Nationalstaaten bedeuten
… ist, dass nationale Identitäten in Europa nicht genetisch zu begründen sind …
https://www.sueddeutsche.de/politik/deutschland-und-die-auslaender-nationale-identitaet-ist-ein-hirngespinst-1.2766064
https://www.deutschlandfunkkultur.de/gene-und-geschichte-es-gibt-keine-nationale-dna-100.html
Musik in dieser Folge:
- Walter Murphy and the Big Apple Band: A Fifth of Beethoven
- Wham!: Careless Whisper
- Anthrax: Indians
Lernen wir jetzt unsere Vorfahren kennen? | 42 – Die Antwort auf fast alles | ARTE
Wissenschafts-Dokureihe (D 2024, 25 Min)