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MrSpinnert von MrSpinnert, vor 1 Jahr
Im Gefängnis fürs Schwarzfahren – sind vor dem Gesetz alle gleich?

Tausende Menschen in Deutschland sitzen im Gefängnis, weil sie schwarz gefahren sind, oder wegen eines anderen sogenannten Bagatelldeliktes. Die meisten sind arm. Wie gerecht ist unser Justizsystem?


Mittlerweile hat der Bundestag die Halbierung der Haftzeit der Ersatzfreiheitsstrafe beschlossen. Und, dass Betroffene ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen werden müssen, soziale Arbeit zu machen. Das Gesetz soll laut SPD-Bundestagsfraktion noch vor der Sommerpause in den Bundesrat kommen.
Hier berichtet tagesschau.de. darüber. https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/geldstrafen-freiheitsstrafen-100.html
Und hier das Angebot des Bundestages dazu: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw25-de-sanktionsrecht-953414


Infos zum Film

Lutz W. aus Bremen fährt ab und an ohne Fahrschein mit dem Bus. Aus Not. Seit 30 Jahren ist er drogenabhängig. Mittlerweile ist er in Therapie. Dazu muss er jeden Tag zum Arzt, der kilometerweit entfernt ist. Dort bekommt er den Heroinersatz Methadon. Bei seinen Fahrten ohne Ticket wurde Lutz W. schon öfter erwischt. Weil er die Bußgelder nicht zahlen konnte, landete er im Gefängnis.

Tausende Menschen im Gefängnis wegen Bagatelldelikten

So geht es Tausenden Menschen in Deutschland, die aufgrund von Bagatelldelikten und nicht bezahlten Geldstrafen eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen müssen. Für die Häftlinge verstärkt sich mit der Haft die Armutsspirale. Für die deutschen Steuerzahlenden ist die teure Haft eine Millionenbelastung. Für die JVA Plötzensee in Berlin ist es eine Dauerbelastung, allein dort sitzen etwa 250 Menschen eine derartige Strafe ab.

Haben es Reiche vor Gericht leichter?

Auch Patrick H. sitzt dort in seiner Zelle und erzählt von dem Tag, den er wohl nie vergessen wird: Als die Polizei gegen seine Tür hämmert, ihn verhaftet und ins Gefängnis bringt. Patrick H. und die anderen Gefangenen von Plötzensee haben eines gemeinsam: Sie sind arm. Ist das Zufall? Oder haben es Menschen mit mehr Geld in Deutschlands Justizsystem leichter?

Wer kein Geld für einen Anwalt hat, steht im Zweifel ohne Verteidigung vor Gericht. Denn Pflichtverteidiger werden schätzungsweise nur in zehn Prozent der Fälle eingesetzt, wenn eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr im Raum steht und in einigen Ausnahmefällen.

Anwalt: „Mehr Geld gleich bessere Chancen vor Gericht“

Wer genug Geld für seine Verteidigung ausgeben kann, sucht sich Anwälte wie Nikolaos Gazeas. Seine Kanzlei in Köln zählt zu den Topadressen für Wirtschaftsstrafrecht in Deutschland. Kanzleien dieser Art verlangen Stundensätze um die 400 Euro. Gazeas hat Beschuldigte in Cum-Ex-Strafverfahren vertreten und die Verteidigung im Schmiergeldprozess um ehemalige Siemens-Manager koordiniert. Er schätzt: 80 Prozent seiner Fälle werden entweder eingestellt oder enden mit einem Freispruch. „Mehr Geld gleich bessere Verteidigung gleich bessere Chancen vor Gericht, das ist in vielen Fällen leider zutreffend.“

Wie soll Strafjustiz gerechter gemacht werden?

45 Min hat sich umgesehen in deutschen Gerichtssälen und Gefängnissen, spricht mit Gefangenen, Verurteilten und Beschuldigten, mit Richterinnen, Staatsanwälten und dem Leiter eines Gefängnisses. Und die Autoren konfrontieren Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und fragen, wie er die deutsche Strafjustiz gerechter machen will und ob seine Reformvorschläge dafür ausreichen.

Im Gefängnis fürs Schwarzfahren – sind vor dem Gesetz alle gleich? | Doku | NDR | 45 Min
HINWEIS: Dieser Film war (in leicht anderer Version) am 6. Juni 2023 im Ersten zu sehen.