War früher alles besser?
War früher alles besser?
Für den Soziologen und Wirtschaftswissenschaftler Oliver Nachtwey hat sich die Gesellschaft von einer Gesellschaft des sozialen Aufstiegs zu einer Gesellschaft der Deklassierung gewandelt.
Wenn jemand sagt, dass es früher besser war, gilt er sofort als Reagierer. Aber manchmal frage ich mich, ob das nicht ein bisschen wahr ist: Nach der Befreiung erlebte Frankreich dreißig Jahre lang Wachstum und Vollbeschäftigung. Die Löhne stiegen, die öffentlichen Dienstleistungen wurden ausgebaut und die Dauer des bezahlten Urlaubs wurde verlängert. Seit dem Ende der „Trente Glorieuses“ ist dies jedoch nicht mehr die gleiche Geschichte.
Oliver Nachtwey setzt sich mit den Begriffen Fortschritt und Modernität auseinandergesetzt. In seinem letzten Buch „La société du déclassement“ (Éditions de la Maison des sciences de l’homme, 2020) zeichnet er die Wirtschaftsgeschichte nach und zeigt, dass wir von einer Gesellschaft des sozialen Aufstiegs zu einer Gesellschaft des Abstiegs übergegangen sind, und er schlägt den Begriff der „regressiven Moderne“ vor, um die Periode, in der wir leben, zu beschreiben. Idealisieren wir fälschlicherweise die Vergangenheit? Welche politischen Auswirkungen hat dieser soziale Niedergang? War es früher besser?
Zusammen mit Forschern und Forscherinnen aus verschiedenen Disziplinen untersucht Laura Raim die großen gesellschaftlichen Themen und Fragestellungen, die heute im intellektuellen Bereich diskutiert werden. Feminismus, Ökologie, Einwanderung, soziale Ungleichheit: Die Journalistin geht von ihren eigenen Fragen und den aktuellen Ereignissen aus, um die Welt der Ideen zu hinterfragen. Die zweimonatlich ausgestrahlte Sendung „Les idées larges“ lädt dazu ein, die Gegenwart anders zu betrachten, indem sie Intellektuelle befragt und gleichzeitig deren Überlegungen für alle zugänglich macht.
Referenzen:
- Oliver Nachtwey, Die Abstiegsgesellschaft – Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne, 2020
- Oliver Nachtwey, Carolin Amlinger, Offended freedom, Polity, 2024
- Robert Castel, Les métamorphoses de la question sociale : une chronique du salariat, Fayard, 1995
- Slavoj Žižek, Why We All Love To Hate Haider, New Left Review, 2000
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