Lebensretter und Brötchenholer: Assistenz- und Rettungshunde bei der Arbeit
Lebensretter und Brötchenholer: Assistenz- und Rettungshunde bei der Arbeit
Inga Orlowski hat zwei Hunde, Higgins und Tayo. Mit beiden setzt sie sich für das Wohl von Menschen ein. Higgins zerrt an der Leine und quiekt, er will endlich den Menschen suchen. Es ist sein erstes Mal. Mit dem Kommando „Such Mensch“ schickt Inga Orlowski ihren 18 Wochen alten Labrador los. Nach wenigen Minuten steckt der Vierbeiner seine Schnauze schon in die Dose mit dem Leckerli. Higgins hat die Aufgabe erfüllt. Ob wie dieses Mal in einem verlassenen Bürogebäude, im Park oder in einer Wohnsiedlung, regelmäßig treffen sich Freiwillige der Johanniter Rettungshundestaffel irgendwo in Hamburg und Umgebung, um ihre Tiere auf Einsätze vorzubereiten. So kann ein Hund binnen 15 Minuten die Fläche von drei Fußballfeldern absuchen. Dafür bräuchte es sonst 40 bis 50 Helfende.
„Tayo hat ein abgeschlossenes Studium, jetzt macht er Führerschein, um unabhängiger zu werden“, scherzt Inga Orlowski. Der Labradorrüde hat tatsächlich viele Talente. Bei der Hundestaffel der Johanniter ist er im Mantrailing-Training, er sucht die Fährten verschwundener Menschen. Wenn er demnächst die anspruchsvolle Prüfung besteht, könnte er im Ernstfall die Hamburger Polizei in Einsätzen unterstützen, in denen vermisste Menschen gesucht werden.
Außerdem hat er eine feine Nase in Bezug auf Wildschweine und muss immer wieder in den Einsatz, wenn es irgendwo in Norddeutschland einen Verdachtsfall von Afrikanischer Schweinepest gibt. Eine Schweinerippe irgendwo in einem Brombeergebüsch? Ein Fuß, versteckt irgendwo in mehreren Hektar Wald? Tayo findet beides. Und dann zeigt er seiner Besitzerin noch den besten Weg zum Fundort, denn Inga Orlowski hat nur noch ein Bein. Tayo weiß das, schließlich ist er auch ausgebildeter Assistenzhund. Ihr Handicap hält die 47- jährige Inga aber von kaum etwas ab, sie kämpft sich durchs Gebüsch, ist Jägerin, hat im Rollstuhlbasketball an den Paralympics teilgenommen, engagiert sich in ihrem Dorf bei der freiwilligen Feuerwehr und beim THW und wurde für diese Arbeit unter anderem mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet.
Ingas Geschichte ist besonders: Nach einem Kreuzbandriss beim Fußball gab es Komplikationen. Elf Jahre und 35 Operationen später entschied sie selbst, das Bein amputieren zu lassen, nachdem sie bei einem Eingriff fast gestorben wäre. Danach hatte sie ihr Leben zurück, so sagt sie. Inga Orlowski ist nun wieder voller Energie und entweder mit der Prothese unterwegs oder im Rollstuhl. Wenn dann die Stufen vor dem Bäcker im Dorf zum Hindernis werden, geht Tayo mit dem Geld im Maul in den Laden und bringt die Brötchentüte wieder zu seinem Menschen. Genauso holt er das Telefon oder was sonst gerade benötigt wird.
Higgins ist als neun Wochen alter Welpe dazugekommen und der kleine Wirbelwind von Inga und Tayo. Wenn er groß ist, will er schließlich auch mal so ein Multitalent werden wie sein Mitbewohner.
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