Die Bonner Republik 1949–1998 (6/6)
Die Bonner Republik 1949–1998 (6/6)
Die Bonner Republik 1949 bis 1998 | 1990 bis 1998 Die Ära Kohl: Das vereinigte Deutschland …
Nach der ersten gesamtdeutschen Wahl im Dezember 1990 und der eindrucksvollen Bestätigung der Regierung Kohl/Genscher wird Helmut Kohl am 17. Januar 1991 zum ersten Kanzler des vereinten Deutschland gewählt. Ein zentrales Thema der folgenden Jahre ist die Übertragung der westdeutschen Gesellschafts-, Wirtschafts- und Sozialordnung auf das ehemalige kommunistische Land DDR. Es ist eine Aufgabe von historischer Dimension, bei der Fehlschläge unvermeidbar sind.
Entgegen der jahrzehntelangen DDR-Propaganda, zu den führenden Industrieländern zu gehören, fällt die Bestandsaufnahme für die DDR 1990 verheerend aus. In den folgenden Jahren werden Milliardenbeträge aus der alten Bundesrepublik in die neuen Bundesländer transferiert, gleichzeitig soll die Treuhandanstalt etwa 17.000 DDR-Unternehmen in die soziale Marktwirtschaft überführen. Wegen mangelnder Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt bleiben Firmen unverkäuflich, was zur Massenarbeitslosigkeit führt und das wiederum zu offener Feindschaft gegenüber der Treuhand. Dass die osteuropäischen Märkte gleichzeitig zusammenbrechen, ist nur ein weiterer Aspekt dieser Entwicklung.
Ein Phänomen in den folgenden Jahren: rechtsradikaler Terror und Mord. Allein 1992 kommen dabei 17 Menschen ums Leben. Außenpolitisch sind zunächst der Golfkrieg zu nennen, bei dem das Grundgesetz den Einsatz der Bundeswehr verbietet. Bonn unterstützt die Verbündeten dafür mit Geld: 17 Milliarden D-Mark – exakt ein Drittel des jährlichen Verteidigungsetats. Seit Mitte 1991 tobt ein Bürgerkrieg auf dem Balkan. Bonn erkennt die Unabhängigkeit der beiden Staaten Slowenien und Kroatien an, der Krieg geht dennoch weiter. Erst 1994 greift die NATO ein.
In der Innenpolitik kommt es zu einer erbitterten Auseinandersetzung im Bundestag über den künftigen Sitz der Bundesregierung: Berlin oder Bonn. Letztlich entscheidet der Bundestag am 20. Juni 1991 für Berlin. Ein weiteres Thema: die Aufarbeitung der Unterlagen des ehemaligen DDR-Ministeriums für Staatssicherheit: allein 200 Kilometer Akten mit mehr als 39 Millionen Karteikarten und hunderttausenden Bild- und Tondokumenten. Die Geheimdiensttätigkeit der DDR mit 91.000 hauptamtlichen und 170.000 inoffiziellen Mitarbeitern hatte in dieser Intensität niemand geahnt.
In der Europapolitik wird mit Maastricht im Dezember 1991 ein bedeutender Reformschritt getan. Dem folgen in den nächsten Jahren weitere entscheidende Schritte auf dem Weg zur Europäischen Union. Im Mai 1998 wird endgültig der Start der Europäischen Währungsunion mit 11 Ländern am 1. Januar 1999 beschlossen – und damit auch das Ende der D-Mark. Frankfurt wird Sitz der Europäischen Zentralbank.
In der Innenpolitik bleibt der Streit um die friedliche Nutzung der Kernenergie nach wie vor ein umstrittenes Thema. Die SPD-Opposition fordert den Ausstieg aus der Atomenergie, die Regierungskoalition beharrt auf ihrer Nutzung. Für sie ist sie eine umweltfreundliche Alternative zu fossilem Brennstoff. Ein weiteres Problem ist die in den alten und neuen Bundesländern unterschiedliche Regelung des Abtreibungsparagrafen 218. Schließlich: 1994 verlassen die letzten russischen Streitkräfte Deutschland. Nach 49 Jahren endet damit die sowjetische Militärpräsenz in Deutschland. Für den Abzug zahlt die Bundesregierung 15 Milliarden D-Mark.
Zu den bedeutendsten Reformen des Sozialstaats in der Ära Kohl gehört die Einführung der Pflegeversicherung. 1994 wird die Koalition aus CDU/CSU und FDP nur knapp bestätigt. Helmut Kohl bleibt zwar Kanzler, aber heute wissen wir: Abgeordnete aus den eigenen Reihen verweigern ihm die Zustimmung. Nur mit Hilfe von Parlamentariern aus dem Oppositionslager wird er wieder Kanzler. Die neue Regierung ist geschwächt, zumal sie im Bundesrat keine Mehrheit hat. Dort lehnen die SPD-geführten Länder Reformen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ebenso ab wie die dringend notwendige Steuerreform. Bei der Bundestagswahl am 27. September 1998 wählen die Deutschen den Wechsel. SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder gewinnt die Wahl. 16 Jahre Kanzlerschaft Helmut Kohl sind zu Ende. Kohl stellte wichtige Weichen für die Zukunft Deutschlands und Europas, er setzte den NATO-Doppelbeschluss durch, er erreichte die deutsche Einheit, er forcierte die Einigung Europas mit der Einführung des EURO.
Als Zeitzeugen äußern sich u. a. Helmut Kohl, Theo Waigel, Norbert Blüm, Klaus von Dohnanyi und Wolfgang Schäuble.
THEMA: Die Nacht der Bonner Republik
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