Die Bonner Republik 1949–1998 (2/6)
Die Bonner Republik 1949–1998 (2/6)
Die Bonner Republik 1949 bis 1998 | 1963 bis 1969 – Von Erhard zur Großen Koalition …
Die Rahmenbedingung für diese Geschichte war der Kalte Krieg, der seit 1990 zu Ende ist. Manche Entscheidung jener Zeit stellt sich heute zum Teil anders dar als noch vor Jahren. Dieser Blick von heute auf der Basis neuen Quellenmaterials war ein besonderes Anliegen der Autoren und ist das grundlegend Neue an dieser Dokumentation. Dabei sind so weit wie möglich deutsche und ausländische Zeitzeugen mit eingebunden worden. Dafür haben die Autoren seit 2005 Interviews mit jenen Akteuren geführt, die die Geschichte dieser Republik maßgeblich mitgestaltet haben.
Ludwig Erhard, seit 1949 Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland, wird im Oktober 1963 Nachfolger von Konrad Adenauer. Ende 1966 tritt er zurück: Aus seiner Sicht haben ihn Machtgier, Neid und Ehrgeiz innerhalb der CDU/CSU gestürzt. Heute gilt er als gescheiterter Kanzler, gescheitert in den Beziehungen zu Frankreich und den USA. Was bleibt, ist seine historische Weichenstellung von der Plan- zur Marktwirtschaft noch vor Gründung der Bundesrepublik: Er bleibt der Garant für den wirtschaftlichen Aufstieg.
Adenauer schätzt ihn zwar als Wirtschaftsfachmann, hält ihn aber als seinen Nachfolger für völlig ungeeignet, insbesondere mit Blick auf die Außen- und Sicherheitspolitik. Darüber gibt es 1963 eine heftige innerparteiliche und zum Teil öffentlich durchgeführte Kontroverse. Zu den ersten Erfolgen seiner Regierungszeit zählt zweifelsohne die Passierscheinregelung für die Berliner im Dezember 1963. Das Verhältnis zu Frankreichs de Gaulle bleibt unterkühlt, dessen Vorstellung einer deutsch-französischen Allianz als Kern eines Europas, das unter seiner Führung die dritte Kraft zwischen den USA und der Sowjetunion werden sollen – unter Ausschluss Großbritanniens – lehnt Erhard kategorisch ab. Zu den großen Debatten seiner Regierungszeit im Bundestag gehört das Thema Verjährung von NS-Verbrechen und in diesem Zusammenhang der aufsehenerregende Auschwitz-Prozess gegen 22 ehemalige SS-Aufseher im Konzentrationslager Auschwitz.
Eine moralisch motivierte Entscheidung Erhards, die Bestand haben wird, ist seine einsame Entscheidung zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel. Die Europäische Integration ist ein durchgehendes Thema: Rückschläge und Erfolge wechseln sich ab. So etwa 1965 mit dem Rücktritt Frankreichs, das eine „Politik des leeren Stuhles“ verfolgt.
Als FDP-Minister 1966 zurücktreten, ist Erhards Sturz vorprogrammiert. Von den Zeitzeugen äußern sich u. a. der Historiker Arnulf Baring, Helmut Kohl, Horst Ehmke, Egon Bahr, Hans-Dietrich Genscher und Rainer Barzel.
Nachfolger Erhards wird der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Kurt-Georg Kiesinger, der zusammen mit der SPD die erste Große Koalition bildet. Helmut Schmidt und Rainer Barzel führen die jeweiligen Fraktionen im Bundestag und sind die Schwergewichte der Koalition. Hinzu kommen Franz Josef Strauß, 1962 als Verteidigungsminister über die „Spiegel-Affäre“ gestürzt, als Finanzminister, und Karl Schiller, ehemaliges NSDAP-Mitglied, als Wirtschaftsminister. Sie gelten als Garanten für die Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise.
Zentrales Ereignis in der Zeit der Großen Koalition ist der Tod des Studenten Benno Ohnesorg bei den Demonstrationen gegen den Schahbesuch am 2. Juni 1967. Wir wissen heute, dass der Todesschütze, der Westberliner Kriminalbeamte Karl-Heinz Kurras, SED-Mitglied und jahrelang Spitzel des DDR-Geheimdienstes war. Benno Ohnesorgs Tod führt zu schweren Auseinandersetzungen in Berlin und zahlreichen Städten in der Bundesrepublik und wird zum Fanal für eine jahrelange, bundesweite Protestbewegung. Dazu gehört auch ein Mordanschlag eines rechtsgerichteten Malergesellen auf den Studentenführer Rudi Dutschke, sowie die verschärften Proteste gegen den Krieg der Amerikaner in Vietnam sowie die Massenproteste gegen die geplanten Notstandsgesetze der Großen Koalition. Mit der Wahl von Gustav Heinemann im März 1969 kündigt sich ein Koalitionswechsel an.
Die Katastrophe von Lengede wird genauso dokumentiert wie die erste Landung auf dem Mond 1969. Von den Zeitzeugen äußern sich u. a. Theo Waigel, Hans Apel, Helmut Schmidt, Arnulf Baring, Horst Eppler und Rainer Barzel, Walter Scheel und Helmut Kohl.
THEMA: Die Nacht der Bonner Republik
2009 wurde die Bundesrepublik Deutschland 60 Jahre alt. Aus Anlass dieses Jubiläums hat der WDR eine zeitgeschichtliche Serie produziert, in der in sechs Teilen die Geschichte der Bonner Republik von 1949 1998 dokumentiert wird.
Die Bonner Republik 1949 bis 1998 | 1963 bis 1969 – Von Erhard zur Großen Koalition | phoenix