Der Völkermord an den Armeniern und die deutsche Öffentlichkeit
Der Völkermord an den Armeniern und die deutsche Öffentlichkeit
Dem ersten Weltkrieg wird hinsichtlich der Ethnozide und Genozide des 20 Jahrhunderts eine herausragende Bedeutung beigemessen – hier wurde die Saat gelegt, die im zweiten Weltkrieg aufging. In diese Kategorie fällt auch die Rolle des Deutschen Reiches beim Genozid an der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich. Der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2005 einstimmig dem interfraktinellen Antrag Erinnerung und Gedenken an die Vertreibungen und Massaker an den Armeniern 1915 zugestimmt und damit eine negative Rolle des Deutschen Reiches in diesem Geschehen anerkannt. Mit dem Antrag hat der Bundestag sich auch zu der Verpflichtung bekannt, einen Beitrag zur Aufarbeitung und Versöhnung zu leisten. Eine breite gesellschaftliche Debatte über die Rolle des Deutschen Reichs bei der Vertreibung und Vernichtung der Armenier kann zu einer Vertiefung der Debatte in der Türkei selbst beitragen. Sie sollte aber nicht dafür instrumentalisiert werden, die Türkei aus ihrer tragenden Verantwortung zu entlassen.
Auch wenn sich zivilgesellschaftliche Kreise in der Türkei inzwischen mehr und mehr mit dem Genozid auseinandersetzen, gilt dies bis heute nicht für die offizielle Politik. Noch immer ist in der Türkei keine umfassende Diskussion über die damaligen Ereignisse im Osmanischen Reich möglich. WissenschaftlerInnen und SchriftstellerInnen, die sich mit diesem Teil der türkischen Geschichte auseinandersetzen wollen, müssen strafrechtliche Verfolgung und öffentliche Diffamierung befürchten.
Mit dieser Konferenz will die Heinrich-Böll-Stiftung den aktuellen Stand der Forschung zur Bedeutung des Ersten Weltkrieges im Hinblick auf Genozide/Ethnozide und die Rolle Deutschlands beim Genozid an den Armeniern erörtern. Auf Basis dieser Bestandsaufnahme soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die öffentliche Hand ihren 2005 eingegangenen Verpflichtungen nachgekommen ist, welche politisch-diplomatischen Hürden sie dabei zu nehmen hat und welche Möglichkeiten der Aufarbeitung, Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit bestehen. In einem dritten Schritt sollen Erfahrungen über zivilgesellschaftliche Aktivitäten und Ansätze ausgetauscht werden.
Mit: Cem Özdemir – Hans-Lukas Kieser – Marieluise Beck – Dogan Akhanli – Raffi Kantian
Heinrich-Böll-Stiftung | Der Völkermord an den Armeniern und die deutsche Öffentlichkeit