„Ein Haus am grünen Bach“ aus dem Album „Der Tod, das muss ein Wiener sein“ Georg Kreisler mit Topsy Küppers (1969)
Und dann hast du was erreicht
Dann ist das Leben leicht
– Oder ist es das?
Und dann hast du was gebaut
Und alle haben geschaut
– Oder war da was?
– Bin ich wirklich blass?
Die Ner-, die Ner-
Die Nervosität
Ist der dunkelste Punkt den man hat!
So sehr, so sehr
So sehr man sich bläht –
Nur zu bald schwankt der Thron
Und die Luft im Ballon
Pfeift hinaus, und man fällt wie ein Blatt!
Das Blatt, das Blatt
Das Blatt, das da fällt
Das bin ich, Fall und Knall, klipp und klar!
Die Glat-, die Glat-
Die Glatze der Welt
Die bin ich noch viel mehr
Denn man lässt mir nachher
Wenn ich tot bin, nicht ein gutes Haar!
Klein, aber mein, aber voll, aber ganz
Aber schnell, aber gleich, aber schlau –
Das geht so leicht, doch nur beinah’!
Kraft, aber Glück, aber Kampf, aber Ziel
Aber Mut, aber hin, aber her –
Die Zeit ist um, und ich steh’ immer noch da!
Und Ner-, und Ner-
Und Nervosität
Fällt mir groß
In den Schoß
Wie ein Kloß
Und ich werd’ sie bestimmt nie mehr los!
Dabei heul’ ich doch so gerne mit den Wölfen
Und lass’ dem Zufall möglichst wenig Raum –
Will immer meinen Zeitgenossen helfen
Mir selber helf’ ich kaum
Ich hab nur einen Traum:
Ein Haus am grünen Bach
Mit Schwalben unterm Dach
Abendröte und Morgenruh
Und das Bargeld dazu –
Ein Falter baut sein Nest
Im Mangobaumgeäst
Und im eigenen Rosenhain
Schläft man dann schöpferisch ein!
Menschen hat man sich abgewöhnt
Kuh und Ochs preisgekrönt
Und der Ruf der Schalmei ertönt
Fehlerfrei übers Land –
Horch, da zittert ein Espenlaub
Tief im wuchernden Wald!
Dort, wo’s Licht durch die Zweige tropft
Hat die Lerche ein Ei getropft!
Der Tatendrang wird schwach
Im Haus am grünen Bach
Zwischen Tulpen und Hühnermais
Weiß man nicht, was man weiß!
Wenn der Storch überm Tannenried
Größere Kreise zieht
Seufzt man leise ein Lied und bettet sich flach
Am grünen Bach!
Die Welt ist weit
Die Sonne hat Gelegenheit
Der Mond ist türkis
Die Erde dreht sich wie am Spieß!
Und Ner-, und Ner-
Und Nervosität
Klebt sich fest wie die Schnecke am Steg
Und fer-, und fer-
Und fertiggenäht
Ist mein Wort und mein Blick
Und der Strick
Um’s Genick
Und mein Herz und mein Schlaf und mein Weg!
Durch Mut-, durch Mut-
Durch Mutlosigkeit
Steh’ ich bleich an der Schlucht des Verzichts!
Man tut, man tut
Man tut sich so leid
Ach, man will schon nichts mehr
– Aber das will man sehr! –
Nur ein Loch, nur ein Haar, nur ein Nichts!
Hals über Kopf über Berg über Tal
Über Fluss über Stock über Stein –
So frisst man sich durch dicken Brei
Wer unterdes unterwegs unterbricht
Der erschrickt, weil er plötzlich erkennt:
Die Zeit ist um! Sie war schon immer vorbei!
Und Ner-, und Ner-
Und Nervosität
Legt sich schwer
In die Quer
Wie ein Bär
Und versperrt das Wohin und Woher!
Dabei strebte ich doch nie zu weit nach oben
Und die Kirchenmaus war jahrelang bei mir!
Ich will mich nicht zum Abschied selber loben –
Ich bin kein großes Tier
Ich will nur – so wie ihr:
Ein Haus am grünen Bach
Mit Schwalben unterm Dach
Himmelblau unter Denkmalschutz
Wiese unter Verputz –
Am Waldesrand gedeiht
Der Löwenzahn der Zeit
Barfuß bis an die Heldenstirn
Schont man Hose und Hirn!
Leise schläft man sein Leben leer –
Nachgedacht wird nicht mehr!
Blütenstaub macht die Augen schwer
Neues kann nicht gescheh’n!
Horch, da wächst ein Vergissmeinnicht –
Deutlich ruft es: „Hurra!“
Und ein kleines Karnickelkind
Schnarcht so laut wie ein Wickelkind!
Mit Mühe bleibt man wach
Im Haus am grünen Bach
Zwischen Tulpen und Rosmarin
Döst man so vor sich hin
Bis der Storch überm Tannenried
Größere Kreise zieht
Dann erst seufzt man ein Lied und bettet sich flach
Am grünen Bach –
Am grünen Bach!
Die Welt ist leer
Der Kummer fliegt im All umher
Die Berge blüh’n –
Und der Bach, der ist grün!