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MrSpinnert von MrSpinnert, vor 11 Jahren
Das Lied von der Krummen Lanke

Fredy Sieg hieß bürgerlich eigentlich Alfred Gyss, lebte von September 1878 bis Februar 1962 in Berlin, und verdiente seine Penunzen als Schauspieler, Kabarettist, Komiker und volkstümlicher Vortragskünstler.

Das Lied von der Krummen Lanke von Fredy Sieg

Vor zwee Jahren im Aujust
habe ick noch nicht jewußt,
daß ick heute Klagelieder singen muß.
Damals hatt’ ick, jrad entfernt,
erst de Emma kenn’jelernt,
ach, und heute is schon mit der Liebe Schluß.
In ’nem Jrunewaldlokal
sah ick sie das erste Mal,
sie trank Kaffee und aß Liebesknochen zu;
und ick schlängelte mich ran,
und wir fing’n zu meckern an,
und um achte sagten wir schon beede Du.

Und dann saß ick mit der Emma uff der Banke,
über uns da sang so schmelzend ein Pirol.
Unter uns da lag so still die Krumme Lanke,
neben uns aß eener Wurscht mit Sauerkohl.
Gerade über zog sich eener an vom Baden,
und wir sah’n ihn noch im Badeanzug jehn.
Und die Emma fragte traut:
„Bis Du ooch so schön jebaut?"
Und dann gab se mir nen Kuß, ach, war det scheen.

Ach, der erste Kuß war scheen,
darum blieb’s nich bei dem een’,
denn een Kuß alleene hat ja nich viel Zweck.
Emma küßte mit Jefühl,
und die Nacht die war so schwül,
und der letzte Zug war sowieso schon weg.
Aber um de Weihnachtszeit
klagt’ sie leise mir ihr Leid;
und sie weente: „Ach, wat is bloß los mit mir?"
Darauf dacht ick: „Au verdammt!"
Und jing hin uffs Standesamt
Und dann macht ick schleunigst Hochzeit ooch mit ihr.

Und nun saß ick wieder mit ihr uff ’ner Banke,
und die Orjel, ach, die hat so schön jetönt.
Und wir dachten beede an de Krumme Lanke
Und die janzen ollen Fraun, die ha’m jeweent.
Und der Pastor hielt so schöne fromme Reden,
und er sprach ooch wat von Jungfrau rein und klar,
denn er hat ja nischt jewußt
von dem Abend im Aujust,
weil er damals nich dabeijewesen war.

Und nun war’n wir Frau und Mann,
und dann kam der Kleene an,
und wir kriechten einen Schreck janz fürchterlich!
Eenen Wasserkopp ang groo
un de Beene krumm wie’n O
’s war so’n richt’cher kleener Krummelankerich.
Ach, der Junge der war toll,
alle Windeln macht er voll,
und ick stand und spült die dreckjen Dinger aus,
denn die Emma meente jlatt,
det se det nich nötig hat.
Und so kam bei uns der erste Streit ins Haus.

Und dann saß ick in der Küche uff der Banke,
und die Windeln hingen rum so wunderschön,
und ’ne Filiale von der Krummen Lanke
macht’ der Kleene mir uffs linke Hosenbeen.
Nachts, da konnte keener ruhig von uns schlafen,
denn der Bengel brüllte bis zum Morjen fast;
und dann riß uns die Jeduld,
eener jab dem andern Schuld:
„Hättste damals lieber nich den Zuch verpaßt."

Seit der Zeit jab’s jeden Tach
zwischen uns den jrößten Krach,
denn der Emma schwoll janz fürchterlich der Kamm.
Und sie haute jeden Topp
Kurz und kleen uff meinem Kopp (Aua!),
meine Birne wurde weich wie’n Jummischwamm.
Voll Verzweiflung schafft ick dann
mir ne andre Freundin an,
doch die Emma hat’s natürlich rausjekriecht;
und sie reichte, wie jemein,
jleich die Scheidungsklage ein.
Und dann kriechten wir ’ne Ladung vors Jericht.

Und nu saß ick wieder mit ihr uff ’ner Banke,
und der Richter hat uns beede dann verhört.
Und ick schimpfte: „Die verfluchte krumme Lanke!"
Und dann wurde ick als schuld’jer Teil erklärt.
Nu muß ick für Emma und det Jör bezahlen,
und ick komm mein Leben lang nich mehr zur Ruh.
Det soll mir ’ne Warnung sein,
ick fall nich noch eenmal rein,
ick koof mir Sand und schipp die Krumme Lanke zu.